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Erhöhte erblasserische Verfügungsfreiheit (revidiertes Erbrecht)

Am 18. Dezember 2020 haben die eidgenössischen Räte in ihrer Schlussabstimmung die Revision des Erbrechts verabschiedet. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 19. Mai 2021 entschieden, das revidierte Erbrecht auf den 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen. Die Revision bringt verschiedene Änderungen. Eine davon betrifft das Pflichtteilsrecht. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, bestehende Ehe- und Erbverträge sowie Testamente bereits heute einer Überprüfung zu unterziehen und bei Bedarf anzupassen.

Unter geltendem Recht ist die Verfügungsfreiheit des Erblassers aufgrund der Pflichtteile eingeschränkt. Künftig erhält der Erblasser mehr Flexibilität, indem der Pflichtteil der Nachkommen von 3/4 des gesetzlichen Erbteils auf neu 1/2 reduziert und der Pflichtteil der Eltern vollständig aufgehoben wird. Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten bleibt unverändert bei 1/2 des gesetzlichen Erbteils. Nach dem neuen Erbrecht gilt somit für alle Pflichteilserben ein Pflichtteilsanspruch von der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Durch die tieferen Pflichtteile der Nachkommen und den Verlust des Pflichtteilsrechts der Eltern erhöht sich somit die verfügbare Quote des Erblassers. Er kann also freier über seinen Nachlass verfügen und bspw. einzelne Nachkommen, den überlebenden Ehegatten, den Konkubinatspartner oder wohltätige Organisationen besser begünstigen. Keine Änderungen erfahren demgegenüber die gesetzlichen Erbteile. Damit sind Konkubinatspartner, Stief- und Pflegekinder wie bisher keine gesetzlichen Erben. Allerdings können diese aufgrund der erhöhten freien Quote künftig mehr begünstigt werden mittels einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag).

Die erhöhte erblasserische Verfügungsfreiheit lässt sich exemplarisch an folgendem Sachverhalt darstellen: Hinterlässt eine Frau ihren Ehemann und 2 gemeinsame Kinder, beträgt der Pflichtteil des Mannes heute 1/4 (1/2 des gesetzlichen Erbteils von 1/2). Der Pflichtteil der beiden Kinder beläuft sich auf insgesamt 3/8 (3/4 ihres gesetzlichen Erbteils von 1/2). Für jedes der beiden Kinder entspricht dies einem Pflichtteil von 3/16. Gemäss neuem Recht beträgt der Pflichtteil des Ehemannes in diesem Beispiel weiterhin 1/4, derjenige der Kinder aber nur noch insgesamt 1/4 und pro Kind 1/8 (1/2 ihres gesetzlichen Erbteils von insgesamt 1/2). Die frei verfügbare Quote der Ehefrau erhöht sich in diesem Beispiel von 3/8 auf 1/2 ihres Nachlasses. Hinterlässt eine Erblasserin nur Nachkommen und keinen Ehegatten, beträgt die frei verfügbare Quote neu 1/2 statt wie bisher 1/4.

Gerne beraten wir Sie, wie Sie Ihre Wünsche in Bezug auf Ihren Nachlass unter Berücksichtigung des revidierten Erbrechts bestmöglich umsetzen können oder prüfen, ob Ihre bisherigen letztwilligen Verfügungen auch unter dem revidierten Erbrecht Ihre Wünsche optimal regeln.

Rechtsanwalt & Partner
Im Aargauer Fricktal geboren und aufgewachsen ist Roman M. Hänggi eng mit der Region Nordwestschweiz verbunden. Mit grosser Entschlossenheit und Engagement hat Roman M. Hänggi seine juristische Ausbildung zum Anwalt in sieben Jahren durchlaufen. Neben seinem Beruf war er auch im Militär über viele Jahre als Gerichtsschreiber, Untersuchungsrichter, Auditor, Geschäftsleitender Auditor und Präsident juristisch tätig. Roman M. Hänggi ist verheiratet und hat zwei Söhne. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie und, sofern daneben noch Zeit übrig bleibt, in seinem Garten.
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