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Was ist Scamming? – der Internetbetrug

Warum gibt es Scamming?

Jeder hat schon mal davon geträumt, dass ein reicher, unbekannter Grossonkel aus Amerika ihm ein Vermögen hinterlässt, dass eine grosse spanische Lotterie ihn zum Millionär macht, dass eine Bank ihm unbekannte Vermögen zuspricht, dass ein Prinz oder Präsident ihm einen kleinen Gefallen mit einem grossen Geschenk verdankt, dass er der einzige ist, der erfährt, dass es ein grosses Schloss für kleines Geld zu kaufen gibt, oder auch nur, dass er von einem Insidergeschäft erfährt, das ihn reich macht.

Die Gedanken sind frei und die Träume sind kostenlos. Aber der Glaube an die Träume kann sehr teuer werden. Die Illusion von Gratis-Geld, Lotteriegewinne ohne ein Los zu kaufen und grosse Vermögen mit wenig Aufwand sind der Köder des organisierten Scammingbetrugs.

Wie funktioniert Scamming?

Scamming ist im Ursprung nichts Illegales. Eine Person oder Gruppe verschickt Mails oder Briefe, mittlerweile auch Whatsapp-Nachrichten, SMS oder Privatnachrichten in den sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder Instagramm, in welchen sie eine oft kuriose Geschichte erzählt. Zum Glück funktionieren in den aller meisten Fällen die Spam-Filter und der gesunde Menschenverstand. Milliarden von solchen Nachrichten, Angeboten und «freudigen Mitteilungen» werden täglich weggeklickt, gelöscht oder direkt im Spam entsorgt.

Das ist aber für die Scammer kein Problem, denn Scamming ist billig. Einen fantasievollen Text an tausende von Lesern oder Usern zu verschicken, kostet fast nichts. Natürlich muss man sich erst die Adressen besorgen, aber diese werden legal und illegal für wenig Geld gehandelt, sortiert nach Regionen, Geschlecht, Bildungsgrad, Wiederholungsopfer und zum Teil nach noch viel präziseren Differenzierungen.

Erst wenn der Adressat antwortet und den ersten Teil der Geschichte glaubt, fängt das strafrechtlich relevante Geschehen an. Meist wird nicht sofort Geld verlangt, sondern Vertrauen aufgebaut. Das Storytelling ist die Basis, mit welcher das Vertrauen der Opfer gewonnen wird. Der unglaubliche Glücksfall, sei es eine Erbschaft, ein Glückspielgewinn oder auch nur ein fantastisches Geschäftsangebot, wird erklärt, begründet und plausibilisiert. Oft fängt dann ein Verwirrspiel an, bei dem man an Experten verwiesen wird oder andere Akteure involviert werden. In unserer Tätigkeit als Anwälte sehen wir verschiedene Vorgehensweisen.

Ein grosses Geschäft hängt nur von einer kleinen Transaktion ab, welche der Empfänger tätigen muss und ihn dann prozentual am Gewinn beteiligt. 
Eine Erbschaft braucht eine physische Person im Land des Adressaten und dafür sollen Gebühren für Notare oder Behörden vorgeschossen werden.
Eine Rechnung muss beglichen werden, damit ein grosser Betrag freigegeben werden kann.

Scamming-Maschen

Der Einfallsreichtum solcher Internetbetrüger ist relativ gross. Im Nachhinein erkennen die Opfer oft, wie plump und offensichtlich die Lügen waren. Auch das kann Teil der Masche sein. Oft ist es den Opfern peinlich, dass sie auf so simple Geschichten reingefallen sind und sie verzichten auf eine Anzeige, besonders wenn zu erwarten ist, dass das Geld ohnehin verloren ist und eine strafrechtliche Untersuchung im Sand verlaufen wird.

In vielen Fällen verlangen die Täter nur relativ kleine Beträge, einerseits sind dann die Hemmschwellen geringer, anderseits wird das Opfer dann auch weniger Aufwand betreiben, um seinem Geld nachzurennen. Wenn absehbar ist, dass die Anwaltskosten höher werden als der verlorene Betrag, schreiben die meisten Betrugsopfer ihren Verlust als Lehrgeld ab. Solche Fälle lohnen sich für die Betrüger, da Kleinvieh auch Mist macht und der Aufwand sehr gering ist.

In anderen Fällen wird lieber mit grossen Beträgen gearbeitet. Dies erhöht den Eindruck der Seriosität und der speziellen Gelegenheit. Hier ist naturgemäss die Erfolgsquote geringer, was aber die Hintermänner wenig interessiert, da sie ja kaum Kosten haben und ein paar wenige Glückstreffer schon einen grossen Erlös ergeben. Hier kommt es immer wieder vor, dass mit kompliziertem Fachvokabular hantiert wird und teilweise auf real existierende Ereignisse aus den Medien verwiesen wird. Das Opfer wird zum Partner und oft zieht es aufgrund der Verlockung noch andere Freunde, Bekannte und Verwandte mit in den Strudel.

Grundsätzlich kann man bei fast allen Maschen sagen, dass sie im Nachhinein geradezu offensichtlich unglaubwürdig erscheinen. Das englische Sprichwort «there’s no lunch for free» (frei: es gibt nichts umsonst) trifft eigentlich immer zu. Wenn Sie an keinem Gewinnspiel teilgenommen haben, werden Sie auch nicht gewinnen. Wenn Sie einen schwerreichen Verwandten hätten, wüssten Sie das wahrscheinlich. Wenn jemand ein Bombengeschäft hat und eine enorme, sichere Rendite erwirtschaften kann, dann würde er kaum einen Unbekannten übers Internet daran beteiligen und wenn einer Zugang zu riesigen Beträgen hat, dann braucht er wohl kaum einen kleinen Zustupf von Ihnen, um an diese zu gelangen.

Was ist Scamming im Schweizer Recht?

Landläufig wird von Intenetbetrug gesprochen, doch juristisch deckt sich die Definition des Betrugs nicht immer mit der Verwendung im Volksmund. Das Scamming selbst ist kein eigener Straftatbestand in der Schweiz. Unser Strafgesetzbuch kennt in diesem Zusammenhang nur den Artikel 146 StGB, den Betrug. Natürlich können im Verlauf des Scamming auch weitere Delikte hinzukommen, wie etwa «Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem» (Art. 143bis StGB), «Betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage» (Art. 147 StGB), aber auch «Nötigung» (Art. 181), «Drohung» (Art. 180 StGB) oder gar «Erpressung» (Art. 156 StGB).

Die häufigste Straftat im Zusammenhang mit dem Scamming ist aber mit Sicherheit der Betrug. Doch nicht alles, was wir als Betrug empfinden, ist auch rechtlich als solcher zu taxieren und strafbar.
Das Delikt des Betrugs gliedert sich in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand. Wörtlich sagt Artikel 146 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs:
«Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Das heisst, dass das Opfer sich selbst oder einen anderen «freiwillig» entreichert. Es tut dies nicht aus Versehen oder unter Zwang, sondern nur, weil es sich in einem Irrtum befindet. Dieser Irrtum muss dadurch entstanden sein oder bestärkt werden, dass der andere ihm Tatsachen vorspiegelt oder unterdrückt, die das Opfer etwas Falsches annehmen lassen. Die Täuschung muss arglistig sein, das heisst, dass der Täter raffiniert vorgehen und ein schwer durchschaubares Lügengebäude erstellen muss. Nicht jede Lüge reicht aus, um den Tatbestand des Betrugs zu erfüllen. Zu guter Letzt muss der Täter in der Absicht handeln, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern.

Scammingfälle haben verschiedene Tücken. Einerseits gibt es wahrscheinlich eine sehr hohe Dunkelziffer, die nie zur Anzeige gebracht wird, da sich die Opfer schämen oder der Schaden zu geringfügig ist, anderseits sind alle Internetdelikte in der Regel sehr komplex und international vernetzt, so dass die Ermittlungsaussichten gering sind. Daneben ergeben sich aber auch rein juristische Fragen, wie etwa das Opfermitverschulden. Hier muss das Gericht sich fragen, wie leichtgläubig man sein darf und wo die Grenze zwischen einer plumpen Lüge und einem raffinierten Lügengebäude verläuft. Immer mehr kommt es zu Fällen, in denen die Opfer zu Mittätern, Gehilfen oder allenfalls willenlosen Werkzeugen werden, sei es, dass sie selbst dazu beitragen, dass andere Leute Geld verlieren oder aber, dass ihr Name, ihr Ruf oder ihr Bankkonto missbraucht wird, um andere zu schädigen.

Rechtsanwalt & Partner
Daniel Ordas
Der spanische Basler hat ein vielfältiges gesellschaftliches Interesse. Er ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen und einer Tochter. Sein besonderes Engagement gilt den Integrationsfragen sowie allgemeinen politischen Themen. Er ist Verfasser zweier Bücher zum Thema Revision der spanischen Verfassung und von Vorschlägen zur Modernisierung des politischen Systems in Spanien. Im Jahr 2005 erlangte er das Anwaltspatent des Kantons Basel-Landschaft. Daniel Ordas leitet den Spanisch Desk der Advokatur & Rechtsberatung TRIAS AG.
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